Demnächst erscheint in der Bauphysik (03/2018) ein Artikel aus einer interdisziplinären Forschungskooperation, welcher Temperatur- und Temperaturvariabilitätstrends verschiedener Gebäudestandards untersucht.

Schröder, Franz; Gill, Bernhard; Güth, Martin; Teich, Tobias; Wolff, Anna (2018): Entwicklung saisonaler Raumtemperaturverteilungen von klassischen zu modernen Gebäudestandards – Sind Rebound-Effekte unvermeidbar? Bauphysik 03/2018 (im Erscheinen), DOI: 10.1002/bapi.201810017

Abstract:

„Diese Studie beschreibt Temperatur- und Temperaturvariabilitätstrends im Zuge von Modernisierungen deutscher Wohnumgebungen basierend auf mehreren Millionen empirischen Messungen. Mediane und Mittelwerte der Raumtemperaturen im Winter
sind typisch um 4 K angestiegen, von 18 °C in der Baualtersklasse vor 1978 (OLD_77) bis hin zu etwa 22 °C in Passivhäusern (PAH). Kühlere Raumtemperaturen, unter etwa 18 °C, scheinen dagegen in Gebäuden bis EnEV-Standard 2009 und PAH zunehmend zu ver-
schwinden. Letztere sind – im Unterschied zu den meisten Bestandsbauten – homogener und die Heizperiode hindurch konstant hoch beheizt, ihre interne Gebäudemasse wird systematisch wärmer als in Bestandsbauten und fungiert als zusätzlicher Pufferenergiespeicher. Daher führen systematische Energieleckagen durch geöffnete Fenster und Türen wohl kaum noch zu wahrnehmbarem Komfortverlust und bestehen dauerhaft. Andererseits bewirken zusätzliche, nicht geregelte und saisonal ungünstig ein-
getragene Energiegewinne – hauptsächlich durch Solarstrahlung und mittelbar auch durch Warmwasserverbrauch – zu zügigem Raumtemperaturanstieg, überwärmen ggf. häufig den Wohnraum, was subsequent erst zur Herstellung des Temperaturkomforts durch Fensteröffnung, d. h. das Ablüften von Wärme, führt. In modernen EnEV-2009 Gebäuden werden Fensteröffnungsraten beobachtet, die ohne weiteres und dauerhaft 10 % übersteigen können, auch im Hochwinter. Gegenwärtig werden entsprechende
Zusammenhänge und Wechselwirkungen mit den Wohnungsnutzern durch weitere soziologische Begleituntersuchungen detaillierter und methodisch nachvollzogen. Diese Studie soll dafür sensibilisieren, dass die forcierte Durchsetzung der neuen Baustandards über EnEV-2002 hinaus und im breiten Bestand fragwürdig erscheint, solange sich das physiologische Wohlbefinden in neuen Wohnumgebungen nicht deutlich mit technisch-energetischen Optimierungskonzepten in Übereinstimmung bringen lässt.“